Experte: Digitalisierung kann soziale Spaltung vertiefen

Kinder am Laptop

Foto: Getty Images/iStockphoto/Highwaystarz-Photography

Schulen und eine vorsorgende Sozialarbeit, die junge Menschen in ihrem familiären Umfeld erreicht, kann Kinder in ihren digitalen Kompetenzen ermutigen und ihre Begabungen wecken.

Experte: Digitalisierung kann soziale Spaltung vertiefen
Der Kasseler Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder warnt vor den sozialen Risiken einer beschleunigten Digitalisierung. "Die digitale Revolution kann die Gesellschaft in einer nicht gekannten Weise polarisieren", sagte Schroeder.

Bildungs- und Sozialeinrichtungen müssten die Menschen darin unterstützen, "sich in dem rasanten Prozess zurechtzufinden". Andernfalls könne eine vernetzte, immer transparentere Gesellschaft die Individuen überfordern - auch weil Menschen die Teilhabe an den digitalen Kompetenzen und Netzen verwehrt ist.

Die Motivation zu lernen und der Aufbau von Qualifikationen sind nach Schroeders Auffassung zentrale Voraussetzungen, damit Menschen nicht den Anschluss an die Gesellschaft verlieren. "Menschen ohne eine fundierte berufliche Qualifikation haben - anders als noch vor 30 Jahren - praktisch keine Chance mehr auf eine dauerhafte, auskömmliche Erwerbsarbeit." Für Menschen ohne Berufsabschluss liege bereits heute die Gefahr, arbeitslos zu werden, bei 20 Prozent. Bei Hochschulabsolventen betrage sie hingegen nur drei Prozent, bei Menschen mit einer betrieblichen Berufsausbildung liege sie bei fünf Prozent.

Mehr zu Digitalisierung
Tastatur mit Taste namens Hass
Eine Studie über Hass im Internet ergibt: Es ist mehr Schutz für die Betroffenen nötig und finanzielle Konsequenzen für die Plattformen. Zwei Drittel der jungen Befragten berichteten über ihre Erfahrungen mit dem Phänomen.
Holger Sievert ist Professor für Kommunikation in Köln und erforscht seit ein paar Jahren den Stand der Digitalisierung evangelischer Landeskirchen und Gemeinden. Im Podcast erzählt er, was er in seinen verschiedenen Studien herausgefunden hat.

Es sei nicht nur die Aufgabe der Schulen, Kinder von Anfang zu fördern. Auch eine vorsorgende Sozialarbeit, die junge Menschen in ihrem familiären Umfeld erreicht, könne sie ermutigen und ihre Begabungen wecken: "Wenn das gelingt, dann ist soziale Arbeit ein Trampolin für neue individuelle Perspektiven." Ein guter Sozialstaat investiere so früh und so intensiv als möglich in Menschen.

Die kommunalen Sozialdienste und die Wohlfahrtsverbände hätten schon heute den "Anspruch, mehr zu sein als Reparaturbetriebe". Doch seien ihre Ansätze zu vorbeugender Sozialarbeit manchmal zu zögerlich und zu wenig ambitioniert. Dies betreffe etwa die organisierte Nachbarschaftshilfe für Senioren und insbesondere die aufsuchende Arbeit in Familien. "Auf die Herausforderungen der neuen sozialen Risiken ist der deutsche Sozialstaat bisher nicht hinreichend eingegangen."